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25. Ausgabe - Zeit(ung) für Kinder

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Erscheinungsdatum: 06/2023

Hinter den Kulissen

Hinter den Kulissen Interview mit Ordensschwester Katarina Seifert Der Schnatterschwan vom Friedersdorfer Kinderrat Hallo Katarina, du arbeitest schon einige Jahre mit Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland flüchten. Kannst du uns einige Fragen beantworten? Ja, na klar! Katarina Seifert, Referentin für Flucht und Willkommen beim CVJM Schlesische Oberlausitz e. V. Warum müssen die Kinder ihre Heimat verlassen? Viele Kinder berichten, dass sie ihr Land verlassen müssen, weil dort Krieg ist. Ihre Eltern haben deshalb entschieden, in ein anderes Land zu gehen, wo sie sicher sind und besser leben können. Für eine Flucht nach Deutschland entscheiden sich einige, weil hier alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Dieses und andere grundlegende Gesetze, die Menschen schützen sollen, nennt man „Menschenrechte“. Die gelten in vielen Ländern der Erde nicht. Ein Mädchen erzählte mir, dass ihr Papa Polizist war. Jetzt gibt es aber eine andere Regierung. Diese verfolgt die Mitarbeiter*innen der alten Regierung. Deshalb hatten sie immer Angst, dass Papa ins Gefängnis muss oder der Familie etwas passiert. Es war gefährlich für sie und deshalb sind sie dann geflohen. Ein anderes Mädchen erzählte, dass ihre Familie plötzlich keine Ausweise und damit keine Rechte mehr bekommen hat, weil sie zu einer Minderheit gehören. Ihr Vater konnte ohne Papiere keine Arbeit bekommen und kein Geld verdienen. Damit hatten sie kein Geld zum Leben. Wie fühlen sich die Kinder, wenn sie nicht mehr in ihrer Heimat leben? Die Kinder aus der Ukraine sind nach Deutschland gekommen und dachten, dass sie bald wieder nach Hause fahren und alles so ist, wie vor dem Krieg. Es macht sie traurig, dass sie noch nicht zurück konnten. Diese und ganz viele Kinder aus anderen Ländern vermissen ihre Väter oder die Familie, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen, – oder auch Schulkameraden und Freunde. Über eine lange Zeit seinen Papa nicht zu sehen und nicht zu wissen, wann man ihn wieder bei sich haben darf, ist sehr schwer. Da habe ich auch schon Tränen gesehen. Manche Kinder können gar nicht darüber reden. Aber auch eine andere Sprache zu lernen, fühlt sich irgendwie komisch an. Es ist nicht leicht, in eine deutsche Schule zu gehen und dort mit einer fremden Sprache zu lernen. Und es ist nicht schön, wenn man weit laufen oder mit dem Fahrrad und dann Bus fahren muss, um in die Schule zu kommen. Viele geflüchtete Kinder haben hier einen weiten Schulweg. Sie lernen in einer Spezialklasse, die oft in einem anderen Ort ist, zusätzlich Deutsch. In einer fremden Sprache kann man auf dem Weg nicht so gut fragen und ist nicht sicher, ob die fremden Deutschen gut oder böse zu ihnen sind. Und auch andere Dinge sind hier für sie seltsam, zum Beispiel, wenn man in der ersten Pause nichts essen darf! Die ukrainischen Kinder wünschen sich eine Klasse wie zu Hause: Mit Gleichaltrigen und mit einem Schulabschluss. Hier in Deutschland gehen ältere und jüngere Kinder gemeinsam in eine ukrainische Klasse und bekommen am Jahresende nur ein Zertifikat. Es gibt kein Zeugnis, so wie zu Hause. Mädchen aus Ländern wie Iran und Afghanistan haben mir erzählt, dass sie sich freuen, dass sie hier in die Schule gehen und lernen dürfen. In ihrer alten Heimat wäre das nicht möglich gewesen. Sie freuen sich, dass sie hier die gleichen Chancen wie die Jungs bekommen. Was können andere Kinder und Familien dafür tun, damit die Kinder schnell neue Freunde finden? Das habe ich meine jungen Freunde auch gefragt. Sie haben ganz einfache Antworten. Sie sagen: „Die Deutschen sollen zu uns nett und nicht frech sein. Sie sollen uns nicht behandeln, als wären wir dümmer. Sie sollen einfach freundlich sein.“ Ganz offensichtlich haben sie schon vieles erlebt, das sie traurig macht. Die Kinder wünschen sich Menschen, die ihnen sagen, was sie gut können, die beim Lernen helfen, die sie normal behandeln und keine Vorurteile haben. Sie freuen sich, wenn sie mit Gleichaltrigen spielen dürfen. Was machen die Kinder aus anderen Ländern gern in ihrer Freizeit? In ihrem Heimatland mussten viele Kinder ihren Eltern helfen oder sogar arbeiten, um Geld zu verdienen. Sie hatten kaum Freizeit. Und wenn sie doch freie Zeit hatten, dann haben sie mit dem gespielt, was sie gefunden haben: Ein Stein, ein Stock, eine alte Dose… Damit haben sie sich dann etwas ausgedacht. Oder sie treffen sich auf der Straße und spielen miteinander. Soll ich euch ein Spiel aus der Ukraine verraten? Es heißt „Baba Kutsja“ (Oma Kutsja). Dabei muss sich einer die Augen verbinden. Seine Freunde klatschen in die Hände und er muss sie fangen. Wer gefangen wurde, ist dann die neue Baba Kutsja. Vielen Dank an Mobina aus dem Iran, an Kausa aus Afghanistan und an Simon aus der Ukraine. Sie haben mir bei der Beantwortung der Fragen geholfen. Hallo, ich bin der Schnatterschwan, Ehrenmitglied im Friedersdorfer Kinderrat. Vielleicht sollte ich das ein bisschen erklären und zwar kam das so: Ich lag in meinem kuscheligen Samtsäckchen und hörte zwei Frauen zu, die sich über ihr Dorf unterhielten, über „Ortschaftsrat“ und „Gemeinderat“ und Kinder. Die Frauen kannte ich, das sind Elisa und Beate und klar wusste ich auch, wer die Kinder sind, aber was ein „Ortschaftsrat“ oder ein „Gemeinderat“ ist, das wusste ich nicht. Böhmische Ententeiche, sozusagen. Beate und Elisa haben die Friedersdorfer Kinder eingeladen, um gemeinsam etwas für das Dorf zu machen. Ungefähr zwölf Kinder kamen, groß und klein. Ich glaube, das jüngste ging noch in den Kindergarten und das älteste schon auf die Schule in der Stadt. Da war ganz schön viel los und alle plapperten durcheinander. Aber wenn dann alle reden, kann ja keiner mehr zuhören. Und so bekam ich eine ehrenvolle Aufgabe: Wenn alle Kinder im Kreis sitzen, darf ich von Hand zu Hand wandern. Und da sitze ich nun schön warm und gut sichtbar auf dem Schoß oder in der Hand von einem Kind. Der Trick: Nur das Kind, bei dem ich sitze, darf reden. Ich kam mir gleich so wichtig vor und ja, ich darf natürlich auch nicht dazwischenschnattern. Außerdem staune ich jedes Mal, was die Kinder alles so zu erzählen haben. Sie reden darüber, was ihnen in ihrem Dorf gefällt und was sie gerne anders hätten. Einmal haben sie die Idee gehabt, im Friedersdorfer Bach Müll zu sammeln. Da gingen sie zu diesem Ententeich – äh Ortschaftsrat – und besprachen alles dort am Tisch. Die hatten nichts dagegen und fanden das sogar sehr gut. Vielleicht waren sie sogar ein bisschen beeindruckt von mir oder vielleicht doch von den Kindern? Ein paar Sitzungen später wurde es eine richtig tolle Müllsammelaktion mit vielen kleinen und großen Leuten. Es regnete in Strömen, ich fand’s super, aber ich glaube dem Rest hat das Wetter nicht so gefallen. Und weil die Kinder sich auch einen Platz wünschen, auf dem sie sich treffen und gemeinsam spielen können, haben sie das mit dem Bürgermeister und den Gemeinderäten besprochen. Der Bürgermeister ist so etwas wie der Oberschnatterer in der Gemeinde Markersdorf und die „Gemeinderäte“ sind so wie die anderen netten Leute am Tisch in Friedersdorf, nur in noch mehr und für alle Ententeiche – äh „Ortschaften“. Gemeinsam sind wir durch Friedersdorf gegangen und haben uns verschiedene Plätze angesehen. Dabei kamen wir an einigen Teichen vorbei, da wäre ich gern gründeln gegangen, aber ich musste in der Tasche bleiben. Am Ende haben die Kinder abgestimmt, welchen Ort sie am besten finden. Das hat ihnen solchen Spaß gemacht, dass sie gleich drei verschiedene Möglichkeiten ausprobiert haben. Staunend habe ich dabei zugesehen: Mit Händen, Igelstacheln und Eicheln haben sie ihre Meinung gezeigt. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte noch die Entengrütze gefehlt, aber niemand wollte auf mich hören. Danach schrieben sie einen Brief an den Oberschnatterer und gingen zum Gemeinderat, damit der das auch gut findet und genehmigt. Die Erwachsenen haben an einem langen Tisch gemeinsam entschieden, dass die Kinder ihren Platz bekommen sollen. Da haben sich alle gefreut und es wurde sogar mit Saft angestoßen. Wenn mich jemand nach meiner Schnattermeinung fragt: Ich finde, die Kinder haben ganz schön viel erreicht und das, weil nicht nur ich, sondern auch andere Menschen ihnen ganz genau zugehört haben. Und Psst! Im Nachbardorf soll es auch bald einen Kinderrat geben. Aber da kann ich nicht mitmachen; ich gehöre ja schon zu den Friedersdorfern. Die werden sich also eine andere Unterstützung suchen müssen. Kinderrat in Friedersdorf • gegründet im Frühjahr 2022 • 12 Kinder von 6 bis 12 Jahren • Projektleiterinnen Elisa Hempel und Beate Büchner • Ehrenmitglied: Schnatterschwan 6 Das Gespräch führte Stefan Walter Landkreis Görlitz, Sachgebiet Integration. Mandy Annette Hergesell, Landkreis Görlitz, Fachberatung Kindertagesstätten 7

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