Hinter den Kulissen Interview mit dem Teamleiter einer betreuten Wohngruppe (StattRand gGmbH) Hallo liebe Kinder, Eltern, Erwachsene und Neugierige, mein Name ist Reno Brandys- Werner und ich bin Teamleiter einer intensivpädagogischen Wohngruppe. Diese befindet sich im ländlich gelegenen Sohland am Rotstein. Es ist die Wohngruppe der „FANTASTIC FOUR“, die phantastischen Vier. Warum sind Kinder/Jugendliche in einer Wohngruppe und was ist das Ziel, dass Kinder/Jugendliche in einer Wohngruppe leben? Die Kinder/ Jugendlichen, mit denen wir zusammenarbeiten, hatten in ihrem bisherigen Leben nicht viel Glück. Sie haben meist in jungen Jahren schon viel Negatives erfahren und erlebten in der frühen Kindheit Traumatisierungen, welche den weiteren Entwicklungsweg beeinflussten und beeinträchtigten. Oft erlebten die jungen Menschen Vernachlässigung, körperliche, psychische und seelische Gewalt. Ebenso kann Überforderung von Eltern mit verhaltensauffälligen Kindern ein Grund für eine Aufnahme in unserer Wohngruppe sein. Die Kinder/ Jugendlichen leben bei uns wie andere Kinder/ Jugendliche in Familien leben, jedoch ist die Wohngruppe ein Lebensort auf Zeit. Wie viele Kinder/Jugendliche wohnen in der Wohngruppe? In der Wohngruppe leben aktuell vier Kinder/Jugendliche. Mehr Plätze stehen in Sohland am Rotstein nicht zur Verfügung, da hier eine besondere und intensivere Form der Betreuung notwendig ist. Die vier Bewohner*innen haben individuelle Ziele, bei denen die Mitarbeiter*innen ganzheitlich unterstützend begleiten und ihnen zur Seite stehen. Ein großes Ziel ist immer, die jungen Menschen stark zu machen für das Leben. Wie alt sind die Kinder/Jugendlichen, die in der Wohngruppe leben? Die Bewohner*innen sind zwischen 7 und 13 Jahre alt. Jungen und Mädchen leben gemeinsam in einer Wohngruppe, wobei der Anteil der Jungen aktuell höher ist. Hat jedes Kind/jede*r Jugendliche ein eigenes Zimmer? Die WG bietet viel Platz zum Entdecken und jede*r hat hier sein eigenes Zimmer, welches als Rückzugsort dient. Eben wie ein Kinderzimmer. Neben dem Kinder-/Jugendzimmer gibt es, wie in anderen Haushalten, verschiedene Räumlichkeiten: eine Küche, einen Gemeinschaftsraum, ein gemütliches Wohnzimmer und eine kleine Kreativwerkstatt. Welche speziellen Regeln gibt es in der Wohngruppe? Wie in einer Familie gibt es in der Wohngruppe Regeln. Es gibt zum Beispiel Regeln des Zusammenlebens und der gegenseitigen Rücksichtnahme. Dies meint unter anderem einen wertschätzenden Umgang untereinander. Grenzen sind zum Beispiel das Anwenden von körperlicher und emotionaler Gewalt. Viele Regeln der „Lebensordnung“ gehen einher mit den Aufgaben, die es täglich zu bewältigen gibt. Welche Aufgaben müssen die Kinder/Jugendlichen übernehmen? Die Kinder/Jugendlichen haben Ämtertage (Zimmerreinigung, Tischdienst, Mülldienst und andere). Zu den Aufgaben gehören ebenso der tägliche Schulbesuch, das Wahrnehmen von Terminen und im besten Fall geht jede*r Bewohner*in einem Hobby nach. Welche Rituale gibt es für die Kinder/Jugendlichen? Rituale haben wir viele, sei es das gemeinsame Einnehmen von Mahlzeiten oder Spielezeiten. Besonders wichtig sind die Zu-Bett-Geh-Rituale, die Tagesauswertung und die Bezugsbetreuerzeiten. Auch die Hausaufgabenzeit gehört dazu. Rituale und feste Zeiten sind für unsere Bewohner*innen notwendig, um einen gleichmäßigen und stabilen Tagesablauf zu haben. Alle Bewohner*innen haben einen Bezugsbetreuer*in, der den großen Überblick über alles behält. Mit diesen kann man zusätzlich besondere Zeit verbringen, Ausflüge machen, wichtige Sachen erledigen oder besprechen. Alle Bewohner*innen haben einen individuellen Punkteplan, wo am Ende des Tages der Tagesverlauf ausgewertet wird. Wird eine gewisse Punktzahl erreicht, erhält man „Sohland-Taler“. Das ist eine eigene Währung in der Wohngruppe. Mit diesen Talern kann man zusätzliche Belohnungen und Besonderheiten erwerben. Am meisten freuen sich die Bewohner*innen auf ihre eigenen Geburtstage. Diese werden immer besonders zelebriert, damit es ein schöner Tag wird und schöne Erinnerungen bleiben. Wie läuft der Arbeitsalltag für den Betreuer ab – wie lange hat er Dienst? Ein Arbeitsalltag, kurz zusammengefasst, ist abwechslungsreich und gleicht nie dem anderen. Manchmal ähnlich einem „Überraschungs-Ei“. Der Dienstalltag unterteilt sich in Früh- und Spätdienste. Eine Fachkraft bleibt über Nacht vor Ort, weil die Kinder/ Jugendlichen nicht allein in der Einrichtung zurückgelassen werden dürfen. Die Dienstzeiten werden nach einem Dienstplan geplant und grundsätzlich muss immer eine Fachkraft vor Ort sein, wenn die Kinder/Jugendlichen anwesend sind. Wenn die Kinder/Jugendlichen aus der Schule kommen, unterstützen wir sie bei den Hausaufgaben und begleiten Situationen, in denen eine Betreuung notwendig ist (bspw. Arzttermine). Ebenso werden Projekte durchgeführt wie das Bauen von Hochbeeten aus Paletten, die Gartengestaltung und Holzarbeiten oder so manch andere künstlerische Aktivität. Wie oft sehen die Kinder/Jugendlichen ihre Familien und dürfen Freunde die Kinder/Jugendlichen besuchen? Das hängt von vielen Einflüssen ab. Manche fahren aller zwei Wochen über das Wochenende und in den Ferien etwas länger nach Hause. Manchmal kann es aber vorkommen, dass Kinder aus den verschiedensten Gründen nicht in die Familien fahren können. Freunde dürfen die Kinder/Jugendlichen in der Wohngruppe besuchen. Wie werden Entscheidungen getroffen? Jede Woche haben wir Gruppenrunden, wo die Kinder/Jugendlichen gemeinsam mit dem Team zusammensitzen. Entscheidungen können nicht immer allein von den Bewohnern getroffen werden. Manche Entscheidungen werden diplomatisch gefällt, andere müssen durch das Team getroffen werden und alles unterliegt dem sozialen Miteinander. Des Weiteren gibt es neben der Entscheidungsfindung und den Beteiligungsmöglichkeiten der Kinder/Jugendlichen bei Alltagsthemen auch Individualrechte (z.B. Gestaltung des eigenen Zimmers). Außerdem werden alle Anliegen, Wünsche oder manchmal auch Beschwerden gehört, ernst genommen und gelöst. Was passiert, wenn die Kinder/Jugendlichen volljährig sind? In der Regel verlassen die Bewohner*innen am Tag der Volljährigkeit die Einrichtung und die Hilfe wird beendet. Die Wege nach der Wohngruppe sind vielfältig. Vielleicht befinden sich die Jugendlichen dann in einer berufsbildenden Maßnahme, haben eine Lehrstelle und beziehen ihre erste eigene Wohnung. Liebe Leser und Leserinnen, dass hier heute war nur ein kurzer Ausschnitt aus dem WG-Alltag der „FAN- TASTIC FOUR“. Ich hoffe, ich konnte euch erste Eindrücke vermitteln, einen Einblick gewähren und offene Fragen beantworten. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und alles Liebe! Reno Brandys-Werner StattRand gGmbH Kinder-, Jugend- und Familienhaus Muskauer Str. 122, 02943 Weißwasser Telefon: 03576 280812 E-Mail: verwaltung@stattrand.info http://www.stattrand.info/ Das Interview führte Anne Funke, 8 Netzwerkbüro Kinderschutz und Frühe Hilfen 9
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